TYROLIT - Schleifmittelhersteller TYROLIT hat das Assistenzsystem ToolScope gezielt auf die Bedürfnisse des Schleifens zugeschnitten. Es macht Maschinenzustände, Betriebs- und Prozessdaten transparent. Bei voller Prozesssicherheit verhilft es dem Anwender zur optimalen Nutzung von Schleifwerkzeugen und minimalen Bearbeitungszeiten.

Verena Ibounig

11.03.2020

TOOLSCOPE. Die umfassende Industrie 4.0 Lösung für die Zerspanung. Auch im Zeitalter von Industrie 4.0 kommt ein Anbieter noch nicht drum herum, zu erklären, was ein Assistenzsystem ist, was es alles kann und wie nützlich sein Einsatz für den Anwender ist. Der Schleifmittelhersteller TYROLIT aus Schwaz in Österreich schafft es mit einem simplen Vergleich: ToolScope ist ein Navigationssystem für die Fertigung.

 

 

Während dem Autofahrer sein Navi den schnellsten Weg von A nach B weist, geht es bei der Assistenz für die Fertigung in der Regel darum, Zykluszeiten zu reduzieren und damit am schnellsten bei einer Bearbeitung zum Ziel zu kommen. Dazu überwacht das System den gesamten Prozess, um die notwendigen Daten zu erhalten. Neben der reinen Geschwindigkeit sorgt es für sichere Abläufe. Was alles überwacht, geregelt, ausgewertet und dokumentiert werden soll, orientiert sich an den speziellen Anforderungen jedes einzelnen Anwenders, der das System frei an seine Bedürfnisse anpassen kann.

Als TYROLIT sein ToolScope im März 2019 zur Grindtec der Öffentlichkeit vorstellte, hatte das Unternehmen den Vorteil, dass das Assistenzsystem bereits am Markt eingeführt war, nämlich als Industrie-4.0-Lösung für Bearbeitungen mit der definierten Schneide. Dieses System war ursprünglich vom Start-up Brinkhaus entwickelt worden, das 2012 in die Komet-Gruppe integriert wurde, die ihrerseits seit diesem Jahr zu Ceratizit gehört. Mit dieser Partnerschaft ist es möglich, sämtliche zerspanende Prozesse zu überwachen und individuelle Assistenzstrategien bereitzustellen. TYROLITs System ist eine für das Schleifen entwickelte Variante von ToolScope. Vieles ist ähnlich oder gleich wie in der von Ceratizit weiter gepflegten Assistenz für das Drehen, Bohren und Fräsen. Viele Anforderungen unterscheiden sich aber grundlegend, da Schleifwerkzeuge ein anderes Einsatzverhalten aufweisen. Das Assistenzsystem ToolScope läuft bereits auf über 1.000 Bearbeitungszentren. Das heißt, die Kinderkrankheiten, die meist bei neuer Software auftreten, sind ausgemerzt, und so können wir uns mit unserer Arbeit ganz auf die Schleiftechnologie konzentrieren.

 

 

Puffer werden überflüssig

ToolScope arbeitet auf der Maschine weiter, nachdem der erfahrene Anwendungstechniker einen Prozess eingerichtet und seinen Einsatz vor Ort abgeschlossen hat. Das System sammelt Informationen, kann auf Schwankungen reagieren, Maschinen, Prozessabläufe sowie den Einsatz der Werkzeuge optimieren. Viele Sicherheitspuffer werden durch die stetige Beobachtung überflüssig, ToolScope sorgt für die nötige Prozesstransparenz. Ziel ist dabei laut Markus Weiß nicht ein vollautonomer Schleifprozess, sondern in einer ersten Stufe von Industrie 4.0 die Abkehr von der händischen Datenauswertung hin zu einer ›Assistenz‹ der Prozessverantwortlichen. Die Daten werden vom System so aufbereitet, dass der Anwender mit den zusätzlichen Informationen den Prozess optimieren, ihn besser auslegen oder überwachen kann. »Leute mit Gespür für das Schleifen können mittelfristig nicht ersetzt werden«, weiß TYROLITs Schleiftechnologe. »Aber wir können sie in ihrem Job unterstützen. Ziel ist der informierte Benutzer, der seine Entscheidungen auf Basis von Fakten trifft.«

 

 

ToolScope wertet dazu Daten aus, die ohnehin bereits in der Maschine vorhanden sind. »Alles, was die Maschine für die Regelung benötigt, kann benutzt werden, um eine Überwachungsstrategie aufzusetzen«, erläutert Weiß. Zentrales Element von ToolScope ist ein Stück Hardware: Ein Hutschienenmodul, das in die Maschine eingebaut und über den Profibus mit der PLC der Maschine angekoppelt wird. Die Techniker in Schwaz nennen diese ToolScope-Hardwareeinheit nur ›das Kasterl‹. Das eigentliche Know-how des Systems steckt in der Software. Zwölf Apps überwachen Maschine und Prozess, führen verschiedene Assistenzfunktionen aus und analysieren Daten.

 

 

Die aufgezeichneten Werte werden zur weiteren Auswertung gespeichert, wobei es dem Nutzer obliegt, ob das lokal auf dem Gerät, in einem bestehenden ERP-System, dem Firmennetzwerk oder einer Cloud erfolgen soll. Er kann auch auswählen, wie die Daten visualisiert werden: auf dem Display der Maschine, einem externen Monitor, einem Tablet oder am PC im Planungsbüro.

Programmierbare Reaktionen

Für jedes Projekt wird programmiert, wie die Maschinenreaktion für ein bestimmtes Ereignis aussehen soll. Das kann ein Alarmsignal sein, ein Stopp der Maschine oder die adaptive Regelung des Vorschubs. Auch ein automatischer Abrichtvorgang ist möglich. Prüfung und Änderung des jeweiligen PLC finden bei Ceratizit in Hannover statt. Diese freie Konfigurierbarkeit und Anpassung auf individuelle Prozessgegebenheiten zeichnen das System ToolScope aus.

 

 

Bei der Entscheidung, welche Werte für einen bestimmten Prozess am besten überwacht werden, hilft TYROLITs technischer Vertriebssupport, der auf eine Struktur zurückgreift, die bereits bei Komet Brinkhaus etablierte wurde. In Schwaz ist hier Gabriel Huber für Schleifassistenzsysteme zuständig. Er zeigt den Kunden an einzelnen Projekten zunächst das Potenzial des Systems auf. Meist wird ToolScope zunächst auf einer Maschine installiert und dann einige Monate lang getestet. In der Regel wollen die Kunden das System dann auch auf weiteren Maschinen einsetzen, weil sie die Vorteile des Systems sehen.

 

 

Es gibt viele Gründe, ToolScope einzusetzen: zu hoher Werkzeugverschleiß, zu häufiges Abrichten, zu viel Ausschuss, stark unterschiedliches Schleifverhalten, stark unterschiedliche Ergebnisse an den Bauteilen. TYROLITs Anwendungstechniker vor Ort erkennen solche Probleme und empfehlen dann neben der Anpassung von Schleifwerkzeug und Prozessparametern den Einsatz von ToolScope. Klassische Bauteile für die Überwachung sind Kurbelwellen, Nockenwellen, Getriebewellen sowie Schaftwerkzeuge für die Werkzeugindustrie. Besonders lohnend ist die Prozessoptimierung für die Großserienfertigung.

 

 

Bei einem großen deutschen Automobilhersteller ist ToolScope bereits im Einsatz, wo vier Schleifmaschinen in zwei Fertigungslinien verschiedene Ausführungen einer Getriebewelle bearbeiten. Der Autobauer setzte das System zunächst nur zum Überwachen und Aufzeichnen des Prozesses ein. So sollten Chargen- oder Härteunterschiede des Ausgangsmaterials erkannt werden, die Einfluss auf die Bearbeitbarkeit des Werkstoffes haben.